Neben der Familie Wertheim-Gompertz beschäftigen sich LehrerInnen und SchülerInnen der Gesamtschule Iserlohn auch mit dem Schicksal der

Familie Mosbach.



Sie führte am alten Rathausplatz einen Obst- und Gemüsehandel. Heute befindet sich im Erdgeschoss des Hauses eine Filiale der Drogeriekette "Ihr Platz".

Auszug aus: Marcus Kiel, Stadt Iserlohn (Hrsg.), Ein temporäres Denkmal zur Erinnerung an jüdisches Leben in Iserlohn, Katalog zur Ausstellung 20. August bis 17. September 2000, Alter Rathausplatz Iserlohn. Die Artikel über die jüdischen Geschäfte in der Wermingser Str. wurden verfasst von Götz Bettge, Archivar der Stadt Iserlohn.

1920 wurde das Geschäft vom Ehepaar Julius und Helene Mosbach gegründet. Julius Mosbach war aus Hohenlimburg gebürtig, seine Frau stammte aus Geldern, das Ehepaar hatte 2 Kinder. Das Geschäft soll nach der Gründung einen guten Aufschwung genommen haben.
Im Januar 1941 musste Julius M. in eine Heilanstalt eingeliefert werden. Er litt an den Folgen der Misshandlungen, die ihm im Verlauf der Progromnacht zugefügt wurden. Noch im gleichen Monat verstarb er in der Heilanstalt.
Am 28. April wurden die Mutter und die beiden Töchter nach Lowin deportiert - dort wurden sie ermordet.
Nach dem Einwohneradressbuch von 1939 wurde das Geschäft offensichtlich mit gleichem Sortiment von Stefan Voß weitergeführt.


Bei unseren Recherchen über die Familie Mosbach gab es immer wieder die Schwierigkeit, die 6 Personen mit dem Nachnamen "Mosbach" aus der Liste der in KZs und Arbeitslagern ermordeten Juden bestimmten Familien zuzuordnen. Erst die Nachfrage im Archiv der Stadt Iserlohn ergab mehr Klarheit, zunächst aber auch nicht absolute Klarheit.

Zunächst brachte auch eine intensive Recherche kaum Ergebnisse, da die Familie (bis auf Julius) am 28.4.1942 nach Zamosz (in Polen, in der Nähe von Lublin) deportiert wurde und es in Polen kaum Unterlagen über diese Deportation bzw. über den Verbleib der Deportierten existieren. Einige Hinweise weisen auf eine Ermordung im KZ Majdanek hin.

Dann ergab sich kurz vor Weihnachten 2005 ein zufälliger, aber sehr aufschlussreicher Fund im Internet: der Schwiegersohn von Julius Mosbach, Ernst G. Lion, hatte mehrere KZs überlebt und ist nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert. Er hat vor 4 Jahren seine Autobiographie geschrieben: "The Fountain of the Crossroad". Ein Freund hat diese Autobiographie im Internet veröffentlicht. Leider ist Ernst G. Lion vor 2 Jahren verstorben. Seine ca. 90-seitige Biographie ist eines der wenigen Dokumente über das Leben jüdischer Bürger in und aus Iserlohn während des Holocaust. Ernst (Ernest) G. Lion hat unvorstellbares Leid erfahren.

Nach den Eintragungen im Melderegister führte der Kaufmann Julius Mosbach, geboren am 14.11.1881 in Hohenlimburg, das Gemüse- und Obst-Geschäft am Alten Rathausplatz Nr. 14 zusammen mit seiner Frau. Nachdem er sein Geschäft abgeben musste, blieb die Familie weiterhin im ersten Stock des Hauses wohnen.

Seine Frau Helene Mosbach geborene Heymann wurde am 9.11.1890 in Geldern (Issumer Straße 76, später Nordwall 49) geboren. Sie war drittes Kind von Willy Heymann und seiner Frau Rosalie Schönthal. Die Informationen über Helene Mosbach stammen aus einem Projektbericht von Schülern des Lise-Meitner-Gymnasiums in Geldern.

Julius und Helene Mosbach hatten zwei Töchter:
Liesel Mosbach wurde am 3.8.1921 geboren und heiratete am 18. Dezember 1939 Ernst Georg Lion; Gretel Mosbach wurde am 26.10.1926 geboren, sie war bei ihrer Deportation am 28. April 1942 16 Jahre alt.

Nach der Heirat mit Ernst G. Lion zog Liesel Mosbach mit ihrem Mann in eine kleine 1,5-Zimmer-Wohnung, wahrscheinlich zunächst in das Haus Wermingser Straße Nr. 27, hier lebte die jüdische Familie Waldbaum. Ernst Georg Lion ist am 15. Dezember 1915 in Brambauer bei Dortmund als Kind von Leo Lion und Berta Lion (geborene Weinberg) geboren. Im November 1939 kam Ernst Lion für kurze Zeit nach Buchenwald, wurde am 15. Dezember 1938 aber wieder entlassen.

Durch die Vermittlung seiner Tante Selma Hoffmann, geb. Weinberg, die mit einem Julius Hoffmann aus Iserlohn verheiratet war, lernte er Liesel Mosbach in Iserlohn kennen. Selma Hoffmann wurde später auch nach Auschwitz deportiert.

Ernst Lion bekam, wieder durch die Vermittlung seiner Tante Selma, eine Arbeitsstelle bei der Firma Husemann in Iserlohn. Der Senior-Chef Heinrich Husemann sowie sein Sohn Reinhold Husemann waren Nazi-Gegner und beschäftigten Ernst Lion in seiner Fabrik bis zur Deportation nach Auschwitz.

Julius Mosbach hatte nach den Schikanen der Nazis nach der Pogromnacht mehrere Nervenzusammenbrüche und kam deswegen am 7.1.1941 nach Warstein. Dort starb er am 14.1.1941 in der Heilanstalt Suttrop II. Seit 1905 gab es dort eine Nervenheilanstalt, heute befindet sich in den Gebäuden die Westfälische Klinik Warstein für Psychiatrie und Psychotherapie. Der nationalsozialistischen Euthanasie fielen in dieser Heilanstalt von 1933 bis 1945 1576 psychiatrische Patienten zum Opfer, darunter auch Julius Mosbach. Heute gibt es in der Klinik ein kleines Museum, das sich auch mit dieser Zeit beschäftigt.

Nach dem Melderegister zogen Ernst und Liesel Lion am 7.1.1941, an dem Tag an dem Liesels Vater nach Warstein in die Heilanstalt eingeliefert wurde, in das Haus Schützenhof 14. Dort blieben sie bis zum 6. Juni 1941 wohnen, denn dann mussten sie zwangsweise im Haus Kluse 18 wohnen. Helene Mosbach wohnte nach dem Tod ihres Mannes mit der jüngeren Tochter Gretel zusammen in der Wohnung am Alten Rathausplatz, 1941 mussten auch sie in das Haus Kluse 18 zwangsumziehen. In dem Bericht von Irma Cohn heißt es: "... die Mansardenräume (Anm.: des Hauses Kluse 18) beherbergten Frau Dalberg und Familie Mosbach mit verheirateter Tochter und Kind (früher Obst- und Gemüsegeschäft am Rathausplatz)". In der Biographie von Ernst G. Lion bescheibt er, dass Liesel und er nach der Hochzeit getrennt von Liesels Mutter und Schwester in einer kleinen Wohnung gelebt haben. Nach dem Melderegister haben sie ab 6. Juni 1941 wieder alle zusammen in der Kluse 18 gewohnt.

Helene Mosbach und ihre Tochter Gretel wurden zusammen mit vielen anderen am 28. April 1942 nach Zamosz deportiert. Aller Wahrscheinlichkeit sind sie dort ermordet worden oder sie wurden ins KZ Majdanek gebracht und dort ermordet.

Liesel und Ernst Lion blieben vorerst in Iserlohn und wurden am 28. Februar 1943 zunächst nach Dortmund und von dort mit tausenden anderen Juden nach Auschwitz deportiert. Dort wurden die beiden gleich nach den Ankunft getrennt. Ernst Georg Lion hat nie wieder etwas von seiner Frau Liesel gehört. Nach dem Melderegister aus Iserlohn sind beide am 28. Februar 1943 "nach unbekannt verzogen". Ernst Lion selber hat das KZ Buchenwald und das KZ Auschwitz überlebt, konnte noch kurz vor Ende des Krieges auf einem Marsch in Süddeutschland (durch Füssen) fliehen. Er arbeitete nach dem Krieg für die U.S.Army und wanderte am 27. Februar 1947 über Bremerhaven nach Amerika (Ohio) aus.

Bevor er Deutschland verließ, kam er im September 1946 in seine Heimatstadt Brambauer und von dort auch nach Iserlohn. Er besuchte auch Reinhold Husemann, sein Vater Heinrich Husemann war inzwischen verstorben. Reinhold Husemann hatte die Sachen (die Violine, das Silberbesteck und einige Bücher), die Ernst Lion ihm zur Aufbewahrung vor seinem Abtransport nach Auschwitz übergeben hatte, aus Furcht vor den Nazis auf der Polizeistation in Iserlohn abgegeben. Von dort holte Ernst Lion sie ab und nahm sie mit. In Iserlohn erhielt Ernst Lion auch die schriftliche Bestätigung, dass seine Frau Liesel mit Datum vom 8. Mai 1945 für tot erkärt worden ist.

Trotzdem hatte Ernst Lion immer noch die vorstelung, dass eines Tages seine Frau Liesel vor ihm stehen könnte. Erst 50 Jahre später konnte er über das Erlebte berichten, 2 Jahre vor seinem Tod verfasste er seine Autobiographie.